Podiumsdiskussion mit D. Ganser bei den Jazztagen in Dresden
Der Jazz ist Vieles, nur eines ist er mit Sicherheit nicht: Dissonanzfreie Gleichschrittsmusik. Und er ist sensibel, hört die feinen Zwischen- und Untertöne. Er benötigt auch Freiräume.
Vielleicht ist das auch ein Grund, warum sich gerade bei den Jazztagen ein Podium für die Diskussion um Debattenfreiräume auftat. Freilich, der Kristallisationspunkt des Abends war der Vortrag von Daniele Ganser. Doch wurde schnell klar, dass es um viel mehr geht als einen Menschen an dem sich die Gemüter erhitzen.
Kilian Forster eröffnete den Abend mit einem dann nicht ganz so knappen Rückblick darauf, wie sich die Dinge um den Auftritt von D. Ganser im Vorfeld entwickelten.
Was deutlich wurde: Die Sabotage der Aktivitäten um die Jazztage haben System, es sind keine einzelnen Vorfälle. Der "Kampf" mit diesen Widrigkeiten frisst Kraft und Energie und droht auf Kosten der Musik zu gehen. Jeder der selbst einmal ein Event organisiert hat - und sei es auch nur einen Bruchteil so groß wie die Jazztage - wird schon aus rein praktischen Gründen absolut kein Verständnis für derartige Vorgänge haben. In Sekundenschnelle ist eine Email verfasst, eine Messenger-Nachricht weitergeleitet - die Folgen sind fatal. Mit der Einschätzung und Vermutung von Kilian Forster, dass solche Handlungen oft unbedacht und in Gutmenschenmanier geschehen, darf man nicht mitgehen, darf sie nicht akzeptieren. Denn heute sind es die Jazztage die daran hängen, morgen sind es Arbeitsplätze und der Mensch ist, wenn es keine Mühe macht, mitunter sehr konsequent... All das gab es schon einmal.
Podiumsgäste waren Daniele Ganser, Julia Szarvasy(Alternative Medien), Julia Neigel, und Prof. Patzelt.
Professor Butter, ein Kritiker von D. Ganser, der auch im Vorfeld der Jazztage von mdr-Kultur interviewt wurde, wurde eingeladen mitzudiskutieren, lehnte aber ab. Seine Begründung läuft daraus hinaus jeglichen Dialog mit "Verschwörungtheoretikern", zu denen er Ganser zählt, abzulehnen.
Diese - in meinen Augen - verbrämte Feigheit vor redlicher Auseinandersetzung ist ziemlich harter Tobak für eine Demokratie, macht diese Haltung doch auch breit Schule in den Medien. Es ist im nüchternen Zustand kaum nachzuvollziehen, warum ein Radiosender wie MDR-Kultur nicht direkt mit Daniele Ganser spricht, sondern mit jemand Dritten über den Referenten. Dieses Muster findet sich heute sehr oft.
Leider saß auch nur ein einziger sich bekennender Kritiker von Ganser im Publikum, der sich im Laufe des Abends zweimal konstruktiv einbrachte. Danke dafür. Aber warum haben die Medien die Möglichkeit nicht am Schopf gepackt und die vielen Kritiker Gansers aufgefordert ihn einmal richtig aufs Debatten-Korn zu nehmen?
(Wer die Antwort von M.Butter hören möchte, klicke auf das verlinkte Interview oben.)
Eingeladen aber verhindert war Milosz Matuschek, einer der Initiatoren von https://idw-europe.org/ .
Etwas schade fand ich, dass Julia Szarvasy von https://nuoviso.tv/ relativ wenig zu Wort kam. Sie hatte Fundiertes zu sagen. Etwa, wenn sie berichtete dass viele Mitarbeiter der Alternativmedien ursprünglich aus den Mainstreammedien kamen und da ihr Handwerk gelernt haben oder wenn sie vom eingeforderten Maßschneidern der Informationen für den Konsumenten im Mainstream Zeugnis ablegte. Hier hätte mehr Gegenrede gut getan. Ein kleiner Einspruch kam vom erwähnten Kritiker im Publikum.
Prof. Patzelt legte in herzerfrischender Direktheit und klaren verständlichen aber nicht vereinfachenden Worten Zusammenhänge dar. Bspw. entrollte er seinen Begriff der Verschwörungstheorie dem Publikum in drei nachvollziehbaren Stufen. Kein abgehobener Elfenbeinturmintellektueller, sondern jemand, der die Bodenhaftung nicht verloren zu haben scheint. Für mich war sein Kopfnicken zu den Ausführungen Gansers bzgl. dessen akademischer Laufbahn genauso wertvoll wie die Wortbeiträge.
Jule Neigel & Band, Mann, wie lange war das her, dass ich diese Musik hörte. Und ich hatte nicht mit ihr gerechnet. Wenn sie davon berichtete, dass sie bei einer DDR-Tour von Horch-und-Guck die Instruktion zum Weglassen von Titeln bei ihren Auftritten geradeweg von sich wies(heute würde man sagen, sie ließ sich nicht canceln), zeigte sich ihre Wesensverwandtschaft mit dem eurythmieverweigernden Jungganser und dem lapidar-prägnanten Patzelt. Diese Direktheit war aber mit einer weiblichlichen emotionalen Energie gepaart, die ein Ganser und Patzelt vermutlich nie erreichen werden.
(Ich entschuldige mich auf der Stelle für diese wahrscheinlich sexistische Formulierung.)
Viel spricht man heute über Abstand und Distanz, die neue Normalität, die die Evolution von Jahrtausenden in einem Akt des Wahnsinns über Bord werfen möchte.
Der Song hier berichtet auch von Abstand, auf eine menschlichere Art. Reinhören und nicht zu sentimental werden...
Der Abend ging friedlich zu Ende.
Ein kleiner praktische Nachtrag: Ein Mann aus dem Publikum fragte nach der Friedensbewegung. Auch in Dresden gibt es eine lokale Gruppe. Bei Bedarf Email an thomas[ÄT]randspringer.de .